Gefahr im eigenen Zuhause
Fallzahlen steigen / Verein hilft toxische Beziehungen zu überwinden
Svenja Beck hilft nun anderen Gewaltopfern. Helmut Fricke/dpa
Nach einem Spieleabend bei Freunden rastet er wieder aus. Svenjas Freund packt sie an den Haaren, schleift sie ins Badezimmer und drückt ihren Kopf in die Toilettenschüssel. Als sie sich wehren will, würgt er sie so lange, bis sie „Sterne sieht“. Der acht Wochen alte Säugling liegt während der Attacke im Nebenzimmer. So schildert Svenja Beck einen der beiden Tötungsversuche ihres Ex-Partners. Jahrelang war Beck demnach Opfer von seelischer und körperlicher Gewalt. „Ich habe damals überhaupt nicht gewusst, in was ich da geraten bin“, sagt die 38-Jährige aus Hessen.
240 547 Personen haben laut Bundeskriminalamt im Jahr 2022 häusliche Gewalt erlebt – ein Anstieg von 8,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Opfer seien meist weiblich, die Täter zumeist männlich. Kommt es zur Tötung einer Frau, werden solche Gewaltverbrechen auch als Femizide bezeichnet.
Auch in Hessen gibt es einen Anstieg im Bereich der häuslichen Gewalt: Die Zahl der Fälle ist im vergangenen Jahr nach Angaben des Landeskriminalamtes in Wiesbaden im Vergleich zum Vorjahr um rund 1000 auf 11 475 Fälle gestiegen. Wie schon in vorangegangenen Jahren waren die Opfer in den weitaus meisten Fällen weiblich, der Anteil lag 2022 bei 81,7 Prozent. Entsprechend handelte es sich bei 81 Prozent der Tatverdächtigen um Männer, bei den übrigen 19 Prozent der Fälle waren die Tatverdächtigen Frauen. Damit hat sich die Geschlechterverteilung sowohl bei den Opfern als auch bei den Tatverdächtigen im Vergleich zum Vorjahr kaum verändert.
Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) hatte im zurückliegenden Landtagswahlkampf unter Verweis auf steigende Fallzahlen sowohl in Hessen als auch im Bund mehrfach elektronische Fußfesseln für Täter bei häuslicher Gewalt gefordert. „Statistisch gesehen wird in Deutschland jeden dritten Tag eine Frau durch ihren Partner oder Ex-Partner getötet. Das ist höchst alarmierend und nicht hinnehmbar“, erklärte Rhein bei einem Besuch der Gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder in der Justizvollzugsanstalt im südhessischen Weiterstadt im August.
Auch Justizminister Roman Poseck (CDU) hatte auf eine hessische Initiative zum Einsatz elektronischer Fußfesseln im Kampf gegen häusliche Gewalt bei einer zurückliegenden Justizministerkonferenz verwiesen. Aktuelle Maßnahmen wie Kontakt- und Annäherungsverbote seien häufig nicht wirksam, und die Betroffenen litten weiter, sagte der Minister.
Und wie ging es für Svenja Beck weiter? Erst nach fünf Jahren und einigen Trennungsversuchen hat sie ihren Partner verlassen können, wie sie erzählt. Im Moment falle es ihr wieder schwerer, über ihre Erfahrungen zu sprechen, „weil ich natürlich auch die körperlichen Reaktionen darauf merke“, sagt sie. Auch ihre Kinder seien „einfach traumatisiert“ und würden psychologische Hilfe in Anspruch nehmen müssen. Aufgrund ihrer Erfahrungen hat sie eine Selbsthilfegruppe und den Verein „T.o.B.e“ gegründet, damit wolle sie anderen Betroffenen „einfach dieses Alleinsein wegnehmen“. dpa
Quellenangabe: Stadtausgabe vom 27.11.2023, Seite 31