Als ich vor 57 Jahren das Licht der Welt erblickte, konnte ich nicht ahnen, dass sich das Thema toxischer Missbrauch wie ein roter Faden durch mein Leben ziehen würde. Es begann mit meiner Mutter, die sich stets in den Mittelpunkt rückte und das Drama suchte – und setzte sich fort in vielen meiner Beziehungen. Ich begegnete immer wieder Menschen, deren Verhalten mich an die Grenzen meiner Belastbarkeit und darüber hinaus brachte: emotional, körperlich, seelisch.
Als ich vor ein paar Jahren auf Svenja Becks virtuelle Gruppe stieß, war ich gerade mitten in der Recherche für mein Buch. Ich wollte wissen, wie es anderen geht – und fand Geschichten, die mich tief berührten. Dabei wurde mir klar, wie riesig dieses Thema ist. Und ich fragte mich: Warum wird diese ganze Komplexität nirgendwo wirklich erklärt?
Ich tauchte tiefer ein: Warum geriet ich immer wieder in toxische Beziehungen – nicht nur in Partnerschaften, sondern auch im Job, in Nachbarschaften, Freundschaften? Warum fiel es mir so schwer, mich davon zu lösen? Warum fühlte ich mich wie ein Magnet für Narzissten und Manipulierende?
Ich war damals schon schwer erkrankt – körperlich, emotional, ausgebrannt. Ich fragte mich oft: Kann ich meine Geschichte überhaupt erzählen? Wer würde das aushalten? So suchte ich nach Antworten. Nicht nur für mich – sondern für all jene, denen es ähnlich ging. Ich wollte verstehen, was dahintersteckt. Und ich wollte die Wahrheit finden – auch die unbequemen. Zum Beispiel, dass es nicht nur Männer sind, die toxisch handeln. Auch Frauen können Täterinnen sein. Und auch Männer können Opfer werden – das habe ich im eigenen familiären Umfeld gesehen.
Was ich im Laufe der Zeit verstanden habe: Viele von uns tragen ein Verhaltensmuster in sich, das aus der Kindheit stammt. Ein Überlebensmuster. Es hat uns geholfen, in einem schwierigen Umfeld zurechtzukommen – aber es verhindert später, dass wir gesunde Beziehungen führen. Ob man es Entwicklungstrauma nennt oder komplexe posttraumatische Belastungsstörung – es geht im Kern um das, was gefehlt hat: Liebe. Gesehen werden. Angenommensein. Einfach sein dürfen.
Viele Menschen, mit denen ich heute arbeite, haben sich selbst über Jahre verloren. Sie wachen morgens auf und fühlen sich taub, fremd, leer. Sie haben immer gegeben, sich angepasst, Verantwortung übernommen – und trotzdem war es nie genug. Manche sind darüber körperlich schwer krank geworden. Andere fühlen sich, als wären sie innerlich verschwunden. Manche sagen mir offen: Die Vorstellung, nicht mehr leben zu müssen, hat etwas Erlösendes.
Ich kann das verstehen.
Und doch hat sich etwas verändert. Ich habe begonnen, mein Trauma zu heilen – nicht durch Worte oder Analysen, sondern durch meinen Körper. Ich arbeite mit einer Methode, die auf somatischer Ebene ansetzt, mit Co-Regulation, mit Präsenz. Ich habe erlebt, dass sich tief gespeicherte Gefühle erst dann lösen, wenn sie im Körper gesehen und gehalten werden dürfen – nicht verurteilt, nicht wegerklärt, sondern einfach gespürt.
Das war kein leichter Weg. Ich habe viele bittersüße Tränen geweint. Ich habe gelernt, mir selbst freundlich zu begegnen, besonders dann, wenn ich wieder in alte Muster rutsche: mich anpasse, alles richtig machen will, meine Bedürfnisse zurückstelle. Aber ich weiß heute, wie ich wieder zu mir finde. Wie ich auf meiner Seite bleibe. Und das ist viel – sehr viel.
Denn wer gelernt hat, sich selbst aufzugeben, nur um ein kleines bisschen Liebe zu bekommen, für den ist jeder Schritt zurück zu sich selbst ein Meilenstein.
Heute begleite ich andere Menschen auf diesem Weg. Ich leite die traumasensible Austauschgruppe im Verein T.o.B.e. e.V., und ich habe ein Ausbildungsprojekt für Betroffene entwickelt. Es beginnt mit dem 30-Tage-Kurs „Zurück zu dir“ – ein Raum, in dem du wieder in Kontakt mit dir selbst kommen kannst.
Gemeinsam mit Svenja Beck und dem Verein möchten wir zeigen: Es ist möglich, sich aus toxischen Dynamiken zu befreien. Niemand muss da allein durch. Und wer sich selbst heilt, trägt eine kostbare Ressource in sich – eine Weisheit, die anderen helfen kann.
In diesem Sinne: Lasst uns leuchten. Nicht, weil wir perfekt oder geheilt sind. Sondern weil wir den Mut haben, wir selbst zu sein. Und damit den Weg ein wenig heller machen – für all jene, die sich gerade noch verloren fühlen.
Mein Buch „Viel zu nett und krank – Heilung in toxischen Beziehungen“ kannst du dir hier ansehen:
https://shop.tredition.com/search/VmllbCB6dSBuZXR0IHVuZCBrcmFuaw==
Meine Webseite und Informationen zum Ausbildungskurs:
www.vielzunett.de