Denise und Svenja

Wie ich überlebt habe – und was von mir blieb

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Ein sehr persönlicher Bericht von Denise Janusch

Die Geschichte, die ich nie schreiben wollte

Wenn ich heute hier sitze und diese Zeilen schreibe, ist es fast, als würde ich über das Leben einer anderen Frau berichten. Als wäre das alles nicht mir passiert. Als hätte jemand einen grausamen Film gedreht, in dem ich die Hauptrolle spielen musste, ohne gefragt worden zu sein.

Aber es ist meine Geschichte. Und ich erzähle sie, weil ich glaube, dass genau solche Geschichten viel zu oft verschwiegen werden. Dass viel zu viele Frauen immer noch denken, sie seien schuld. Dass sie sich schämen. Dass sie bleiben, weil sie Angst haben oder weil sie immer noch hoffen, dass der Mensch, den sie lieben, sich ändert.

Auch ich habe das geglaubt. Viel zu lange.

Der Anfang einer zerstörerischen Liebe

2015 lernte ich Uwe Müller kennen. Er war charmant, witzig, aufmerksam. Er hat mir das Gefühl gegeben, etwas Besonderes zu sein. Endlich angekommen zu sein. Ich war jung, hungrig nach Liebe und Geborgenheit, und er gab mir all das – zumindest am Anfang.

Schnell zogen wir zusammen. Wir bekamen drei gemeinsame Töchter. Mein ältester Sohn zog später auch wieder zu uns. Nach außen hin waren wir eine Bilderbuchfamilie. Ich versuchte verzweifelt, dieses Bild aufrechtzuerhalten. Vielleicht, weil ich selbst daran glauben wollte. Vielleicht, weil ich Angst hatte, was passieren würde, wenn ich eingestehe, dass dieses Bild eine Lüge war.

Denn während unsere Nachbarn dachten, wir seien eine glückliche Familie, lebten wir in Wahrheit in einem Albtraum.

Das Gift kroch langsam in unser Leben

Uwe trank. Jeden Tag. Alkohol war so selbstverständlich wie Wasser. Bald kamen Drogen hinzu. Cannabis, Amphetamine, Betäubungsmittel, die er sich teils illegal besorgte. Er war dann oft euphorisch, überdreht, aber genauso schnell auch aggressiv und voller Hass.

Zuerst waren es nur Worte: Beleidigungen, Schuldzuweisungen, wüste Drohungen. Er machte mir weis, ich sei wertlos, hässlich, krank. Er sagte mir, dass ich ohne ihn nichts wäre und niemand mich jemals lieben könnte.

Dann schlug er Türen, warf Sachen durch die Wohnung, zerstörte Möbel. Ich bekam Angst, vor allem um unsere Kinder. Aber ich redete mir ein, es sei nur der Alkohol. Er meinte ja immer wieder, er würde aufhören. Er versprach es. Und ich wollte ihm glauben.

Gewalt, die Spuren hinterlässt

Doch die Gewalt blieb nicht bei Worten und kaputten Möbeln. Irgendwann traf sie mich.

               •             Er packte mich so fest an den Armen, dass ich tagelang riesige Blutergüsse hatte.

               •             Er riss mich an den Haaren durch den Flur, während meine Kinder weinend zusahen.

               •             Er stieß mich gegen Möbel, schlug mich, zerkratzte mein Gesicht.

               •             Am 19. April 2022 brach er mir einen Finger, weil er mich so grob herumschleuderte. Mein Brustkorb war übersät mit blauen Flecken, ich hatte Schmerzen beim Atmen, konnte meine Hand kaum bewegen.

               •             Im Dezember 2022 trat er betrunken und bewaffnet mit einem Baseballschläger meine Wohnungstür ein, stieß mich gegen einen Schrank und brach mir dabei erneut die Hand.

               •             Am 24. Februar 2023 kam er wieder, alkoholisiert, schleuderte mich mit Gewalt gegen die Wand, während meine Kinder im Nebenzimmer saßen.

Er bedrohte nicht nur mich, sondern missachtete auch immer wieder die richterlichen Kontaktverbote. Er suchte den Kontakt, lauerte mir auf, schrieb mir Liebeslieder und Drohungen, schickte nachts Videos, tauchte plötzlich in meiner Wohnung auf, obwohl er sie laut Gericht nicht einmal aus 100 Metern Entfernung hätte betreten dürfen.

Sein Verhalten eskalierte schließlich sogar gegenüber Polizeibeamten. Im Mai 2022 trat er nach einer Verfolgungsjagd Polizisten ins Gesicht, versuchte sie mit dem Kopf zu rammen. Die Gerichte haben später festgestellt, dass er neben einer Alkohol- und Drogensucht auch eine ausgeprägte dissoziale Persönlichkeitsstörung hat.

Was das mit meiner Seele gemacht hat

Das alles hat mich krank gemacht. Körperlich sowieso, aber vor allem psychisch.

Heute, fast vier Jahre nach unserer Trennung, bin ich immer noch schwer traumatisiert. Ich leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Ich habe Flashbacks, Panikattacken, depressive Phasen, in denen ich nicht aufstehen kann. Immer wieder muss ich in psychiatrische Kliniken, weil mein Kopf und mein Herz einfach nicht mehr können.

Ich bin immer wieder labil, breche zusammen, denke manchmal, ich werde nie wieder heil. Diese Narben werden bleiben, für immer.

Meine Rettung: ein YouTube-Video und ein starker Verein

Vielleicht wäre ich heute nicht hier und könnte dir das alles erzählen, wenn nicht eines Tages etwas Entscheidendes passiert wäre: Ich stieß zufällig auf ein Video von Svenja Beck auf YouTube. Svenja sprach dort über narzisstischen Missbrauch. Über toxische Beziehungen. Zum allerersten Mal hörte ich jemanden laut aussprechen, was ich all die Jahre fühlte: „Dein Partner ist krank. Er ist Narzisst. Es ist nicht deine Schuld.“

Ich war wie elektrisiert. Ich suchte nach mehr, fand ihren Verein „Tobe – toxische Beziehungen überwinden e.V.“. Ich nahm Kontakt auf und begann, mit ihrer Hilfe aufzuarbeiten, was passiert war. Es hat drei lange, schmerzhafte Jahre gedauert, bis ich so weit war, wirklich zu gehen. Ohne zurückzuschauen. Ohne Zweifel.

Und heute?

Heute habe ich einen neuen Partner. Wir haben noch ein Baby bekommen. Eine wunderschöne kleine Seele, die mir zeigt, dass das Leben trotzdem weitergeht. Meine Kinder sind wieder bei mir. Wir lachen, wir kuscheln, wir halten uns fest.

Aber ich will ehrlich sein: Ich bin nicht gesund. Ich werde auch nie wieder so sein wie vorher. Die Unbeschwertheit ist weg. Die Angst bleibt. Die Krankheit bleibt. 90 Prozent von all dem, was mir fehlt, verdanke ich Uwe Müller.

Was ich dir sagen will

Wenn du das hier liest und selbst in einer Beziehung steckst, in der du Angst hast: Bitte geh. Warte nicht so lange wie ich. Hör auf dein Gefühl. Niemand hat das Recht, dir wehzutun. Niemand darf dich kleinmachen. Niemand darf deine Kinder leiden lassen.

Und wenn du denkst, du kannst das nicht – dann halte dich daran fest: Auch ich dachte, ich schaffe es nicht. Ich war so oft am Boden, so oft überzeugt, dass ich ohne ihn nicht existieren kann.

Aber das ist die größte Lüge von allen. Du kannst ohne ihn leben. Du kannst atmen, lachen, heilen – und irgendwann wieder lieben.

Vielleicht nie wieder so unbeschwert wie früher. Aber du kannst überleben. Und das ist so viel mehr wert, als für eine Illusion von Liebe zu sterben.

Auch du schaffst das , definitiv ♥️